Insights gewinnen über offene Fragen

Offene Fragen geben dem Befragten viel Raum zur freien Beantwortung. Im Online-Interview hat er dazu die neutral formulierte Anweisung und die Freiheit, wenig oder auch ausführlich zu schreiben. Im face-to-face-Interview (F2F) sitzt er in einer sozialen Umgebung, die die Antworten beeinflussen kann, aber auch die Möglichkeit zum Nachfragen und Vertiefen gibt. In einer vergleichenden Studie konnte das Antwortverhalten auf identische Fragen in den beiden Interviewformen verglichen werden.

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Das Vorgehen: Vergleich zwischen Online-Panels und F2F-Interviews

In einer von T.I.P. durchgeführten Studie zur Wahl von Einkaufsstätten wurden die Antworten zu drei offenen Fragen (Kriterien bei der Wahl der Einkaufsstätte (ToM, weitere), spontane Konnotationen sowie positive und negative Assoziationen zum Händler) vergleichend analysiert. Die Online-Befragung wurde mit je N= 400 Befragten mit drei Panelanbietern und die F2F-Befragung mit N=1150 in 10 deutschen Teststudios durchgeführt.

Die unterschiede: mehr Aussagen bei F2F

Dabei zeigte sich deutlich, dass die beiden Methoden bei offenen Fragen quantitative Unterschiede zeigen. Die Anzahl der Wörter in den face-to-face-Interviews ist mehr als doppelt so hoch wie bei der Online-Befragung. Dies resultiert sicher aus der persönlichen, direkten Interaktion mit Interviewern, die geschult sind, „alles“ aufzuschreiben und ggf. nochmal nachzufragen. Zumindest in der Quantität der Äußerungen erscheint F2F somit im Vorteil gegenüber Online. Im Online-Interview wurde keine besondere Motivationssteigerung – wie z.B. Fortschrittsbalken – eingesetzt. Zusätzlich sei bemerkt, dass sich die Wortzahlen auch zwischen den drei Panels unterschieden (die Ergebnisse dazu wurden bei Research & Results berichtet).

Inhalt: Gleiche Kernaussagen in beiden verfahren

Nach der Kodierung der offenen Fragen zeigen sich die Kernthemen in einer vergleichbaren Reihenfolge der Häufigkeit. Im F2F sind Mehrfachnennungen häufiger und folglich kann man von einer etwas besseren Differenzierung bei den selteneren Themen ausgehen.

Analyse: F2F gibt mehr spielraum

Interpretatorisch ist das „Zwischenverhältnis“, die Konnotation und Sinngebung zu den zentralen Themen wichtiger. Hierbei kann das F2F-Interview seine Vorteile zeigen: Die umfangreicheren F2F – Aussagen geben mehr Raum für die Wahrnehmung der Qualitäten der Kernthemen und damit für qualitative Analysen und Insights. Das wird allerdings erst deutlich, wenn man hinter die Kodierung blickt und die offenen Antworten als Verbatim oder über Schlüsselwortanalysen betrachtet. Unterschiede, die z.B. durch soziale Erwünschtheit im F2F zustande kommen könnten (z.B. Vertuschen von Preissensibilität), sind nicht sichtbar geworden.

Empfehlung: Das Analyseinteresse entscheidet

Im hier gezeigten Beispiel lag das Verhältnis der Feldkosten Online / F2F bei fast 1:4. Hinsichtlich der offenen Fragen können die höheren Kosten also nur dann sinnvoll sein, wenn eine tiefgehende Analyse durchgeführt wird. Wer sich auf den prozentualen Vergleich einer kodierten Analyse begrenzen möchte, sollte im Online-Panel zu ähnlichen Ergebnissen kommen. In einem weiteren Methodenvergleich konnte gezeigt werden, dass das Antwortverhalten im Online-Interview deutlich umfangreicher wird, wenn die offenen Fragen mit einem Fortschrittsbalken (mehr Info dazu über das Institut) versehen sind. So lässt sich auch über Online-Befragungen eine bessere Basis für Insights schaffen.